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Praxis – Arzt und Recht – Folge 142

GOÄ – verbindliches Gebührenrecht auch für juristische Personen

16.07.2024 Seite 19
RAE Ausgabe 8/2024

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 8/2024

Seite 19

Der Bundesgerichtshof hatte in einem Urteil die lange umstrittene Frage zu entscheiden, ob die Gebührenordnung für Ärzte auch für juristische Personen gilt. 

von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg

Ob die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) auch bei ambulanten Leistungen anzuwenden ist, die von einem bei einer juristischen Person angestellten Arzt erbracht werden, war in Rechtsprechung und juristischer Literatur lange umstritten. Eine höchstrichterliche Klärung fehlte bisher. So entschied beispielsweise das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt noch im September 2023, dass die GOÄ nicht anwendbar sei, wenn eine Kapitalgesellschaft (zum Beispiel eine MVZ-GmbH oder Ärzte-GmbH) Anbieter ärztlicher Behandlungsleistungen ist (Urteil vom 21. September 2023, Az.: 6 W 69/23). Eine andere Ansicht vertrat zum Beispiel das OLG Köln (Urteil vom 16. August 2023, Az.: 6 W 69/23). Jetzt wurde diese Frage höchstrichterlich geklärt.

GOÄ gilt für alle ambulanten Leistungen 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 4. April 2024 (Az.: III ZR 38/23) entschieden, dass die GOÄ für alle ambulanten beruflichen Leistungen von Ärztinnen und Ärzten gilt und somit auch für juristische Personen Anwendung findet. Das heißt, dass auch Krankenhausträger – soweit sie ambulante Leistungen erbringen – und insbesondere auch Träger Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) in Rechtsformen von juristischen Personen die Vorgaben der GOÄ beachten müssen.

Pauschalpreise sind nicht zulässig

Im vorliegenden Fall hatte sich der gesetzlich krankenversicherte Kläger im Rahmen der Behandlung eines Prostatakarzinoms für die Anwendung des innovativen und in der Regel ambulant durchgeführten Cyberknife-Verfahrens im beklagten Universitätsklinikum entschieden. Das Verfahren gehört grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Letzten Endes lehnte deshalb die Krankenkasse des Patienten eine Kostenbeteiligung ab. Das Universitätsklinikum informierte den Kläger daraufhin darüber, dass er für die Kosten des Verfahrens selbst aufkommen müsse, wenn er diese spezielle Behandlung wünsche. Der Kläger unterzeichnete eine Erklärung, mit der er bestätigte, die anfallenden Kosten in Höhe von 10.633 Euro im Anschluss an die Behandlung zu begleichen. Nach erfolgter Behandlung forderte der Kläger das Universitätsklinikum auf, ihm eine ordnungsgemäße Rechnung nach GOÄ zu stellen. Das Universitätsklinikum berechnete dem Kläger mit der Leistungsbezeichnung „Cyberknife Komplexleistung III“ einen Pauschalbetrag in Höhe von 10.633 Euro, den der Kläger vollständig beglich. Später machte er jedoch unter anderem geltend, dass die von ihm unterzeichnete Kostenübernahmeerklärung als Pauschalpreisvereinbarung den Bestimmungen der GOÄ widerspreche, und klagte vor dem Landgericht Köln auf Rückzahlung. Sowohl das Landgericht Köln (Urteil vom 24. August 2022, Az.: 25 O 256/21) als auch das in der Berufungsinstanz angerufene OLG Köln (Urteil vom 22. Februar 2023, Az.: 5 U 115/22) gaben dem Kläger Recht. Die Revision des Universitätsklinikums vor dem BGH blieb erfolglos.

Wortlaut und Zweck der Vorschrift

In seinem Leitsatz stellt der BGH klar:

„Der in § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) beschriebene Anwendungsbereich der GOÄ setzt nicht voraus, dass Vertragspartner des Patienten ein Arzt ist, sondern dass die Vergütung für die beruflichen Leistungen eines Arztes geltend gemacht wird. Die GOÄ findet deshalb auch dann Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person, zum Beispiel einem Krankenhausträger, abgeschlossen wird und ambulante Leistungen durch Ärzte erbracht werden, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in der Erfüllung ihrer eigenen Dienstaufgaben tätig werden und selbst mit dem Patienten keine Vertragsbeziehung eingehen.“

Bereits nach dem weit gefassten Wortlaut von § 1 Abs. 1 GOÄ gelten die Verordnungen für alle „beruflichen Leistungen der Ärzte“, ohne dass eine Differenzierung danach erfolgt, ob der Arzt selbst oder ein Dritter (juristische Person) Vertragspartner des Patienten ist.

Zudem kann das Ziel des Gesetzgebers, ein verbindliches Preisrecht zu gewährleisten, nur dann erreicht werden, wenn dieses unabhängig davon gilt, mit wem die Patientinnen und Patienten den Behandlungsvertrag geschlossen haben. Sinn und Zweck der Gebührenordnungen bestehen darin, einen angemessenen Ausgleich zwischen den gegenläufigen Interessen von Patienten und Ärzten herbeizuführen. Auch dienen zahlreiche Informations- und Formvorschriften unmittelbar dem Schutz der Patienten.

Fazit

Die höchstrichterliche Klärung ist zu begrüßen. Nur mit einem weiten Anwendungsbereich der Gebührenordnungen kann sichergestellt werden, dass deren Schutzzweck auch bei der Erbringung ambulanter ärztlicher Leistungen durch juristische Personen nicht unterlaufen werden kann.
Das Urteil schafft endlich Klarheit. Maßgebend für die Anwendbarkeit der GOÄ ist somit, ob die Vergütung für die beruflichen Leistungen von Ärztinnen und Ärzten geltend gemacht wird. Nicht übersehen werden darf zudem, dass die Entscheidung nicht nur für Universitätskliniken oder Plan- und Vertragskrankenhäuser bedeutsam ist, sondern zum Beispiel auch für Privatkliniken nach § 30 GewO. 

Das Urteil dürfte allerdings in der Praxis für erheblichen Ärger sorgen, wenn Patienten oder deren Versicherer es als Quelle entdecken, Honorar zurückzufordern.  

Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.