Zum bereits zweiten Mal in diesem Jahr befragte das Rheinische Ärzteblatt die nordrheinischen Delegierten über ihre Eindrücke vom Deutschen Ärztetag. Anfang November traf sich der Großteil der Abgeordneten der Landesärztekammern erstmalig seit Beginn der Coronapandemie in Präsenz in Berlin. Wie die Delegierten den Hybrid-Ärztetag und die Diskussionen vor allem um das Topthema Klima- und Gesundheitsschutz wahrgenommen haben, schildern sie in der inzwischen 28. Delegiertenumfrage.
Für mich ist der direkte Austausch in einer Debatte extrem wichtig. Der letzte Ärztetag im Mai dieses Jahres hat gezeigt, dass dies auch über eine Online-Teilnahme möglich ist. Deshalb habe ich – wie etwa 50 andere Delegierte – auch dieses Mal von zuhause teilgenommen. Es zeigte sich aber, dass hierzu noch nicht die optimalen Voraussetzungen geschaffen werden konnten. Während beim Ärztetag im Frühjahr die Pausen zwischen den Redebeiträgen die Verzögerung zwischen Stream und Realzeit offenbarten, mussten diesmal die Delegierten, die online teilnahmen, teilweise abstimmen, bevor ein Redebeitrag zu Ende übertragen wurde. Doch da die Anträge bereits bekannt waren, verhinderte dies nicht unsere demokratische Partizipation.
Im Zentrum der Ärztetagsdebatten stand das wichtige Thema Klimaschutz. Am Ende der Diskussion musste man aber bedrückt feststellen, wie weit der Weg dahin auch bei uns in der Medizin noch ist. Auch in der Art der Teilnahme zeigte sich dann noch eine gewisse Hypokrisie: Trotz nur noch weniger offener Abstimmungen wurde der Ärztetag vorzeitig beendet, damit einige Delegierte ihre innerdeutschen Flüge erreichen konnten. Vielleicht findet beim nächsten Ärztetag die gemeinsame Anreise aus den Landesärztekammern im Reisebus oder mit dem Zug statt: So kann man nicht nur gemeinsam CO2 sparen, sondern auch die Reise schon zum Austausch nutzen.
Endlich wieder Präsenz, Begegnung und persönlicher Meinungsaustausch!
Das Thema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ beherrschte den Ärztetag. Die Fakten und Einschätzungen, die mit großer Überzeugung vorgetragen wurden, verdeutlichten die Notwendigkeit, sofort konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Die zahlreichen Anträge und die vielen Redebeiträge zeigten, wie wichtig den Delegierten das Thema ist. Ich persönlich war schon fast überrascht, dass jetzt fast alle bekennende Klimaschützer sind. Die Delegierten haben ihren Willen zum Aufbruch und zum Handeln deutlich gemacht.
Das Thema GOÄ wird auf den Ärztetagen vorgetragen, seit ich in der Berufspolitik tätig bin. Hoffentlich passiert endlich etwas. Die Telematikanwendungen und IT-Anbindungen der Praxen rufen massive Sicherheitsbedenken und Sorgen um den Schutz sensibler Daten hervor. Ich habe den Eindruck, dass die Umsetzung der Digitalisierung inzwischen so lange dauert, dass die eingeschlagenen Wege längst technisch veraltet sein könnten. Die Akzeptanz wird erst dann besser werden, wenn ein Nutzen für Patienten sowie für Ärztinnen und Ärzte nachvollziehbar wird.
Mehr als lästig, dass am ersten Tag wieder einmal das WLAN nicht funktionierte. Das geht besser! Die Bahnfahrten der Delegierten mit Verspätungen zwischen 20 Minuten und mehr als zwei Stunden zeigten leider die aktuellen Schwierigkeiten eines klimaschonenden Verhaltens auf.
Zwei Tage waren bei dem wichtigen Thema Klimaschutz sehr knapp bemessen. Doch der Ärztetag in Präsenz hat gezeigt, dass Beschlüsse im kurzen Austausch von Angesicht zu Angesicht besser abgestimmt werden können. Der direkte Kontakt zueinander hat sicherlich auch die vermehrten Vorstandsüberweisungen des vergangenen Ärztetages vermieden. Dass ausgerechnet technisch-digitale Probleme und die Gelassenheit des Präsidenten dieses gefördert haben, mag eine Ironie darstellen, wird aber die weitere Digitalisierung nicht aufhalten.
Ich mag nicht beurteilen, ob der in der Pandemie entstandene Booster von digital verfügbaren Informationen oder die zunehmende Häufung von Themen im standespolitischen Umfeld – man erinnere nur daran, dass sich die von Bundesgesundheitsminister Spahn initiierten Gesetzesinitiativen im mittleren zweistelligen Bereich befinden – dazu geführt haben, dass sich die Geschwindigkeit deutlich erhöht hat, mit der Entscheidungen getroffen werden. Dennoch: Es zeigte sich, wie wichtig bei all diesen Entscheidungen die Entschlossenheit der Teilnehmer war, sich nicht von ökonomischen Zwängen oder anderen nicht-ärztlichen Reformaposteln drängen zu lassen, sondern immer im Sinne des Patientenwohls zu entscheiden. Ich freue mich bereits auf Bremen.
Freude und Erleichterung waren zu spüren, als sich eine Vielzahl der Delegierten unserer 17 Landesärztekammern wieder von Angesicht zu Angesicht begegnen konnte. In den Sitzungen haben mir die klaren Forderungen an die zukünftige Bundesregierung, die eindeutige und kritische Stellungnahme zur TI und zur Digitalisierung und vor allem die Diskussion zum Datenschutz gut gefallen. Bei der leidenschaftlichen Klimaschutzdebatte hat die Ärzteschaft klar formuliert, was sie konstruktiv zum Klimaschutz beisteuern kann. Wieder beeindruckt hat mich das kollegiale Miteinander und das Bemühen um die gemeinsame Sache.
Als Vorsitzende des Ausschusses „Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik“ und angesichts unseres Symposiums im September zu diesem Thema hat mich die eindeutige und vehemente Forderung für eine gesetzliche Regelung zur Suizidprävention sehr gefreut. Es handelte sich um einen Antrag der nordrheinischen Delegierten, der breite Unterstützung von allen Landesärztekammern sowie dem Präsidium des Ärztetages fand. Gefordert wird eine strukturierte Förderung der Suizidprävention, der Behandlung und Krisenintervention sowie der Nachsorge für Betroffene und Angehörige. Die Bundesärztekammer muss dazu dringend beim Gesetzgeber durchsetzen, dass ärztlicher Sachverstand einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Kompetenz in die Ausarbeitung des Gesetzesantrags eingebracht wird.
In einem Beschluss haben die Delegierten die klare Unterscheidung zwischen ärztlicher und nicht ärztlicher Psychotherapie gefordert. Ärztliche Psychotherapeuten verfügen über somatische, pharmakologische, sozialmedizinische und psychotherapeutische Kompetenz. Damit unterscheiden sie sich grundlegend von anderen psychotherapeutisch tätigen Berufsgruppen. Ein weiterer Beschluss mit dem Titel „Ärztliche Gebiete sind keine Organmedizin“ sagt: „diesen in der neuen Muster-Weiterbildungsordnung der nicht-ärztlichen Psychotherapeutinnen und -therapeuten verwendeten Terminus lehnt die deutsche Ärzteschaft ab. Ärztinnen und Ärzte sind für den ganzen Menschen zuständig“. Wir sind als Ärzte auch für die kommunikativen, psychosozialen und psychosomatischen Behandlungsaspekte zuständig. Diese Klarstellung ist mir wichtig.
Endlich rückt das Thema Klimaschutz auch bei der Ärzteschaft nach vorne. Viele gute Ansätze, die jetzt weiterverfolgt werden müssen, wenn man es ernst meint. Nur scheint das leider auch noch nicht bei allen der Fall zu sein!
Zum sechsten Mal war ich nun zum Deutschen Ärztetag in Berlin, zum dritten Mal fand er im Estrel Congess Center statt. Nun, die Location ist nicht schöner geworden. Ja, es war angenehm, wieder vor Ort mit den Delegierten des 125. DÄT diskutieren zu können. Und ja, die Raumaufteilung und der Arbeitsplatz für die Delegierten waren hervorragend. Leider spielte die Technik nicht mit, im Saal nicht, und auch für die zu Hause Gebliebenen waren technische Hürden zu überwinden. Schau an. Die Coronapandemie war für die IT-Industrie eigentlich die Chance zu zeigen, wohin die Reise gehen könnte. Diesmal wohl vertan. Wohl auch deshalb fand der Antrag auf ein „Monitoring“ für IT-Anwendungen in der Praxis locker eine Mehrheit.
Durch die sattsam bekannten, aber auch notwendigen Einschränkungen litt besonders die Atmosphäre. Es fehlte der Treffpunkt im Foyer, der Talk am Industrie-Stand und weitgehend das Pausen-Meeting der Verbände. Arbeiten war angesagt, es war so viel nachzuholen.
Das Hauptthema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ wurde gründlichst abgearbeitet. Die Umweltgruppen aus Berlin, Bayern und Baden-Württemberg waren bestens vorbereitet und eingespielt – ich fühlte mich an Audimax-Diskussionen der 1970er-Jahre mit einem dominierenden Sendungsbewusstsein einiger erinnert. Aber alles gut: Die Botschaft wird verstanden werden.
So blieb weniger Zeit zur Aussprache über aktuelle gesundheitspolitische Themen, die den politischen Koalitions-Verhandlern mit auf den Weg gegeben werden sollten. Doch im Expresstempo wurden die Anträge erledigt, und, wo sie gut waren, auch angenommen. Der Sitzungsleitung auf dem Podium sei es gedankt.
Dann waren zwei Tage herum. Auftrag erledigt. In Bremen 2022 bei sicherlich mehr Normalität wird Zeit für mehr Gründlichkeit sein.
Schon während der Eröffnungsrede des Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, zeigte sich: In der Kammer hat ein positiver Klimawandel stattgefunden. Ich habe die Atmosphäre und die Diskussionen beim 125. Ärztetag als entspannt und konstruktiv erlebt. Forderungen nach mehr Studienplätzen, einem gesundheitspolitischen Sofortprogramm der neuen Regierung, das Bekenntnis zum dualen Versicherungssystem und der Appell an Politik und Gesellschaft, den ärztlichen Beruf als freien Beruf zu respektieren, trafen den Nerv aller Delegierten. Dem zentralen Thema Klima und Gesundheitsschutz wurde genügend Raum gegeben. Der Diskurs war emotional, aber stets zielorientiert. Trotz einiger digitaler Pannen hatte man den Eindruck, an einem „historischen Moment“ teilzuhaben, da erstmals in der Geschichte des Ärztetages viele ernsthafte Impulse in Richtung Klima- und Gesundheitsschutz gesetzt wurden.
Nach einem ausgefallenen Deutschen Ärztetag und einem Online-Ärztetag war es wohltuend, die Kolleginnen und Kollegen wieder in Präsenz zu erleben. Dabei wurde auch klar, was bei den Online-Sitzungen verloren geht: Es ist der kurze Blickkontakt, der Einverständnis oder Ablehnung signalisiert, der schnelle Kommentar von den Umsitzenden und die gegenseitige Anerkennung bei Wortbeiträgen. Im Plenarsaal reicht oft ein Blick auf die Nebenfrauen und -männer, um zu sehen, wie ein Redebeitrag bei den Delegierten ankommt. Nicht zuletzt ist es der Applaus bei wichtigen Themen und Redebeiträgen, der vor dem Bildschirm fehlt. Denn er setzt ein Zeichen dafür, wie sehr ein Thema uns in der Ärzteschaft bewegt.
Neben dem Klimaschutz standen weitere bewegende Themen auf dem Tableau, wie die Ökonomisierung des Gesundheitswesens. Sie fördert den Personalmangel in den Kliniken und stellt den Gewinn und nicht das Wohl der Patienten in den Vordergrund. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Die Themen Digitalisierung und Pandemie sind an vielen Stellen nicht voneinander zu trennen. Sie sind aber auch eng verbunden mit fehlendem Personal und der daraus entstehenden Überlastung der verbleibenden Fachkräfte. Hier lässt sich tatsächlich eine Brücke schlagen zum Thema Klima- und Gesundheitsschutz im Gesundheitswesen, dem Hauptthema des 125. Deutschen Ärztetages. Es zeigte sich, dass es weder reicht, als Ärzteschaft allein Vorgaben zu entwickeln, noch diese Aufgabe alleine der Gesellschaft zu überantworten. Nur gemeinsam können wir etwas verändern.
Ich fand bei diesem Ärztetag bemerkenswert, wie intensiv der Mangel an Pflegekräften von vielen Kolleginnen und Kollegen an den Kliniken thematisiert wurde. Hierbei wurde auch ein Zusammenhang zur Coronapandemie deutlich.
Und beim Thema Telematikinfrastruktur ist den damit befassten Klinikkolleginnen und -kollegen offenbar klar geworden, wie sehr die TI in der jetzigen Form die dortigen Arbeitsabläufe beeinträchtigen würde und wie unglaublich aufwendig die Umsetzung wäre. Dies führte zu großer Einigkeit in der Kritik an der TI in der jetzigen Form und in der Forderung nach einem grundlegenden Neuaufsetzen des Projekts – endlich unter Berücksichtigung ärztlicher Bedarfe.