Diagnostische und therapeutische Überlegungen
von Laura Schmidt-Pennington und Joachim Spranger
Ein 46-jähriger Patient wendet sich mit der Bitte um Aufklärung seiner inzwischen seit 22 Jahren bestehenden Beschwerden an das Berliner Zentrum für seltene Erkrankungen (BCSE).
Anamnese
Der Patient berichtet, seit circa 1998 unter multiplen schmerzhaften Lipomen zu leiden, welche sich vorrangig an Oberschenkeln, Gesäß und unterem Rücken befänden (siehe Abbildung). Mit der Zeit würden diese deutlich an Größe und Anzahl zunehmen. Die Schmerzen träten insbesondere bei starker Druckbelastung (Sitzen, Liegen) auf, was seine Arbeitsfähigkeit massiv einschränke. Insgesamt seien von 2000 bis 2019 in elf Operationen insgesamt 32 Lipome reseziert worden, was aber meist aufgrund zahlreicher Rezidive nur vorübergehend Linderung gebracht habe. Initial habe eine Adipositas Grad 1 (BMI 30,8 kg/m2) bestanden. Im weiteren Verlauf habe der BMI zwischen 21,3 und 27,8 kg/m2 geschwankt, ohne dass die Gewichtsreduktion mit einer Besserung der Beschwerden einhergegangen wäre. Gewichtszunahme und Alkoholkonsum hätten die Schmerzen sowie Lipomwachstum und neubildung hingegen stets befördert. An relevanten Vorerkrankungen berichtet er eine Polytoxikomanie mit Alkoholabusus bis circa 1998 (einmaliger Rückfall 2018) und eine Depression. In seiner Familie sei er als Einziger von den Lipomen betroffen.
Klinische Untersuchung
Normalgewichtiger Ernährungszustand (Gewicht 86 kg, Größe 189 cm, BMI 24,1 kg/m2). Vitalzeichen unauffällig. Wach und orientiert. Puls- und Lungenstatus sowie abdomineller Tastbefund unauffällig. Blutdruck 150/90 mmHg. An den beschriebenen Lokalitäten subkutan tastbare, gut abgrenzbare Lipome (Durchmesser rund 0,5 bis 3 cm), ohne Druckschmerzhaftigkeit bei Palpation.
Laborchemische Untersuchungen
Normwerte für BSG, CRP, GPT, GOT, GGT, AP, Kreatinin, Harnsäure, Ferritin, Transferrin, kleines Blutbild / Differentialblutbild, Glucose, HbA1c, TSH, fT3, fT4, Vitamin B12, Folsäure, Mangan, Zink, Selen, Laktat, Pyruvat, Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Gerinnungsparameter (INR, Quick, aPTT), Cyclisches Citrullin-Peptid (CCP)-Autoantikörper. Gesamtcholesterin 267 mg/dl (Norm <190 mg/dl), LDL-Cholesterin 206 mg/dl (Norm <115 mg/dl), Triglyceride 146 mg/dl (Norm <150 mg/dl), HDL-Cholesterin 52 mg/dl (Norm >40 mg/dl), Rheumafaktor 40 IU/ml (Norm <20 IU/ml).
MRT Becken
In den kapselmarkierten Lipom-Arealen findet sich relativ seitensymmetrisch zur Darstellung kommendes diffuses subkutanes Fettgewebe ohne umschriebene lipomtypische Raumforderung. Kein Weichteilödem. Auch die angrenzende Muskulatur ist unauffällig. Kleiner, paramedianer Bandscheibenprolaps L5/S1.
Histologische Befunde der entfernten Lipome (in wichtigen Auszügen)
03/2014, 04/2019, 08/2019, 10/2019: Lipome mit unauffälligen regulären Adipozyten. Keine Malignität.
10/2002, 03/2014: Multiple, teils knotige Angiolipome. Kein Anhalt für Malignität.
Dr. Laura Schmidt-Pennington arbeitet als Assistenzärztin an der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Berliner Charité. Sie ist Koordinatorin des Berliner Zentrums für Seltene Erkrankungen (BCSE) der Charité.
Professor Dr. Joachim Spranger ist Chefarzt der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Berliner Charité sowie Leiter des BCSE.
Professor Dr. Malte Ludwig ist ambulant als Angiologe am Zentrum für Kardiologie am Klinikum Starnberg tätig. Er koordiniert und begleitet die Reihe inhaltlich.
Kurzanleitung zur „Zertifizierten Kasuistik“
Hinweis: Die 2 Fortbildungspunkte können über das System des Einheitlichen Informationsverteilers (EIV) Ihrem Punktekonto bei der Ärztekammer gutgeschrieben werden. Es werden Ihre Einheitliche Fortbildungsnummer, die Veranstaltungsnummer und die Anzahl der Punkte übermittelt.
via Rheinisches Ärzteblatt
Im ersten Rheinischen Ärzteblatt des -Quartals werden jeweils veröffentlicht: der einführende Artikel zum Thema, der Fragenkatalog und die Lernerfolgskontrolle mit -Bescheinigung.
Ausführliche Informationen zur Differenzial-diagnostik werden im Internet unter www.aekno.de/cme veröffentlicht.
Zum Erwerb der Fortbildungspunkte müssen mindestens 70 Prozent der Fragen richtig beantwortet werden. In dem Fall können die Fortbildungspunkte über den Elektronischen Informationsverteiler (EIV) dem elektronischen Punktekonto des Arztes bei seiner Ärztekammer automatisch gutgeschrieben werden, falls die Einheitliche Fortbildungsnummer/Barcode auf die Lernerfolgskontrolle aufgeklebt und die Einverständniserklärung zur Datenübermittlung unterschrieben ist.
Einsendeschluss: Die Lernerfolgskontrolle muss spätestens bis Donnerstag, 25. Februar 2021 per Fax oder per Post eingegangen sein (Poststempel). Fax: 0211/4302 5808, Postanschrift: Nordrheinische Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung, Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf.
Auflösung: im Rheinischen Ärzteblatt 3/2021 in der Rubrik Magazin.
via www.aekno.de
Die Zertifizierte Kasuistik findet sich auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein unter www.aekno.de/cme.
Anmeldung: Erstmalige Registrierung mit Nachnamen, Arztnummer, Einheitlicher Fortbildungsnummer (falls vorhanden) und einer aktuellen E-Mail-Adresse. An diese werden die Zugangsdaten geschickt. Die zukünftige Anmeldung erfolgt über die angegebene E-Mail--Adresse und das selbst gewählte Passwort.
In dem geschlossenen Bereich finden sich
• der einführende Artikel zum jeweiligen Thema,
• die ausführlichen medizinischen Informa-tionen und
• der Fragekatalog.
Die bisher veröffentlichten Kasuistiken der Reihe finden sich zu Übungszwecken unter www.aekno.de/cmetest.