Von Self-Check-in bis Augmented Reality: In der Praxis4future der KV Nordrhein erleben Praxen und ihre Teams live, wie sich die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung in den kommenden Jahren verändern kann – und was jetzt schon möglich ist. Die Digitalisierungsexpertin Julia Langenstein führt seit Dezember 2023 interessierte Praxisteams an den Standorten Köln und Düsseldorf durch die multimedialen Räume und macht Lust auf Zukunft.
RÄ: Frau Langenstein, Sie sind die Expertin für die Praxis4future der KV Nordrhein. Warum lohnt sich ein Besuch?
Langenstein: Ich bin überzeugt, dass Digitalisierung für jede Praxis nur Vorteile bringt und ein Gewinn ist. Ich habe selbst in einer herkömmlichen Praxis gearbeitet und weiß, wie viel Zeit dort in Vorgänge fließt, die man lieber in die eigentliche Arbeit mit den Patientinnen und Patienten stecken würde. Deshalb lohnt es sich, sich ganz konkret anzuschauen, was heute möglich ist: bei der Praxisorganisation, in der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten, Kolleginnen und Kollegen, und natürlich für den Behandlungsraum der Zukunft. In der Praxis4future können unsere Mitglieder all das live sehen und selbst ausprobieren – und zwar nicht nur virtuell, sondern ganz real.
RÄ: An wen richten Sie sich mit Ihren Führungen?
Langenstein: Unsere Beratung richtet sich an das gesamte Team und an alle Praxen – unabhängig davon, ob sie bereits Digitalisierungsprofis oder Neulinge sind. Wir begrüßen es, wenn unsere Mitglieder ihr ganzes Team mitbringen. Denn eine Praxis zu digitalisieren, steht und fällt nicht mit der Ärztin oder dem Arzt. Vieles gehört prioritär in den Aufgabenbereich der MFA und des Praxismanagements. In der Regel sind sie auch die Ansprechpersonen für die Technikhäuser. Es ist also gut, alle von Beginn an mit im Boot zu haben.
Praxis4future: Die Zukunft der Arztpraxis live erleben
Ob Neuling oder Profi: Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) unterstützt Niedergelassene und ihre Praxisteams bald noch besser auf dem Weg in Sachen Digitalisierung. In der innovativen Praxis4future werden seit Dezember 2023 Führungen angeboten. Dabei wird zu allen wesentlichen Themen im Kosmos der Praxis-Digitalisierung beraten – vom Einsatz eines Self-Check-in-Terminals zur Entlastung der Praxis-Anmeldung bis zur Nutzung von Smart Gadgets wie Armbändern, die unter anderem Vitalparameter messen können.
Dass die KV Nordrhein sich für Innovation stark macht, beweist sie einmal mehr durch die Entwicklung der Praxis4future. Am Projekt beteiligt waren seitens der KNVO Julia Langenstein, Chantal Solberg, Inés Alvarez Garcìa, Claudia Pintaric, Ulrike Donner, Sven Margref und Gilbert Mohr in Zusammenarbeit mit Flying Health und gefördert durch das Bundesgesundheitsministerium. Gut zwei Jahre arbeitete das interdisziplinäre Team der KV Nordrhein an dem innovativen Projekt – von der ersten Idee bis zur Eröffnung im Dezember 2023. Mitglieder und ihre Praxisteams können sich im Kölner Service- und Beratungszentrum sowie am Standort in Düsseldorf von Julia Langenstein kompetent beraten lassen, und das in nur gut drei Stunden. Bevor es losgeht, checkt die Digitalisierungsexpertin den Status quo der Praxis und ermittelt den konkreten individuellen Bedarf.
Danach wird mittels Kurzvideos in die gewählten Themenkomplexe eingestiegen. Dabei befasst sich die Praxis4future mit vier Szenarien und ihren verschiedenen Themenkomplexen: Patientenanmeldung, Kommunikation mit Patientinnen und Patienten, Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen, Behandlungszimmer der Zukunft. Im Anschluss werden die einzelnen ausgewählten Punkte besprochen und erläutert. Dann geht es ans Ausprobieren der verschiedenen Smart Gadgets und Anwendungen. Im Nachgang der Führung durch die Praxis4future wird dann ein individueller Report zu den gewünschten Themen mit allen Informationen erstellt, der auch weiterführende Links zu Websites und Studien enthält.
RÄ: Was wollen Sie Ihren Besucherinnen und Besuchern vermitteln?
Langenstein: Ich sehe meine Mission vor allem darin, dass jede und jeder für sich erkennen kann, wo der ganz konkrete persönliche Nutzen einer Digitalisierung liegt. Dafür bin ich da – um individuell zu schauen, welche Lösung für genau diese Praxis passt. Basis für die Beratung ist deshalb immer, den Status quo zu ermitteln, um dann passende Optionen herauszufiltern, zu besprechen und am Ende auch ausprobieren zu lassen. Der große Vorteil der Praxis4future ist auch, dass wir herstellerunabhängig beraten und Alternativen für den gleichen Zweck bieten.
RÄ: Viele sehen vor allem den Aufwand für die Digitalisierung ihrer Praxis – wie ist Ihre Erfahrung dazu?
Langenstein: Der Aufwand, einen Online-Terminservice, einen Self-Check-in für Patientinnen und Patienten oder eine digitale Telefon-Assistenz einzurichten, ist verschwindend gering – im Vergleich zur enormen Zusatzbelastung des Praxisteams ohne all diese Unterstützung. Digitalisierung ist absolut ressourcenschonend, eröffnet neue Möglichkeiten für die Organisation, aber auch den Service für die Patientinnen und Patienten. Digitalisierung ist gesundheitsfördernd, weil trotz Personalengpässen weniger Überstunden geleistet werden müssen.
Und Praxen werden nicht nur für die Patientinnen und Patienten, sondern auch als Arbeitgeber attraktiver, wenn sie den digitalen Weg beschreiten. Digital Natives schätzen und erwarten solche Arbeitsbedingungen und können Ideen in den Prozess der Digitalisierung einbinden. So gelingt es auch, den begehrten MFA-Nachwuchs langfristig zu binden. Um es ganz einfach auszudrücken: Digitalisierung bedeutet glückliche MFA, glückliche Ärztinnen und Ärzte und damit glückliche Patientinnen und Patienten. Der Gewinn ist auf vielen Ebenen greifbar.
RÄ: Erzählen Sie uns mehr über die konkreten Anwendungen. Ein zentrales Element Ihrer Beratungen ist, dass verschiedene Tools getestet werden können.
Langenstein: Genau. Wir bieten eine große Bandbreite an sogenannten Smart Gadgets zum Ausprobieren. Dabei spielen vor allem Wearables eine Rolle. Wir haben zum Beispiel ein Armband, das Menstruationszyklen, Lebensgewohnheiten und biometrische Messwerte erfassen kann, und einen Im-Ohr-Sensor, der Vitalparameter, Körperkerntemperatur, Pulsfrequenz und Sauerstoffsättigung ermittelt. Auch sprechen wir über Tools, um Hausbesuche digital zu transformieren. So können Ärztinnen und Ärzte noch mehr Aufgaben an ihre MFA delegieren, die zum Beispiel über digitale Stethoskope auskultieren können, und Ärztinnen und Ärzte erhalten die Messwerte direkt auf ihren Monitor.
Das ermöglicht mehr Service für Patientinnen und Patienten, macht an anderer Stelle Arztzeit frei und gibt den MFA mehr Verantwortung. Einen recht einfachen Weg, sich digitaler aufzustellen, eröffnen auch die Praxisverwaltungssysteme mit einer Bandbreite an Anwendungen, die ebenfalls bei uns getestet werden können.
RÄ: Auch der Einsatz von Augmented Reality, kurz AR, kann ausprobiert werden. Können Sie kurz erklären, was das ist und wo es in der Praxis unterstützen kann?
Langenstein: AR ergänzt unsere Wahrnehmung durch virtuelle Elemente. Sie ist also – anders als die Virtual Reality – eine direkte Darstellung der Realität, ergänzt mit Zusatzinfos. In der Praxis sind insbesondere AR-Brillen interessant, da sie behandelnden Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, mit bloßem Auge nicht sichtbare Elemente darzustellen. Aufnahmen bildgebender Verfahren können beispielsweise als 3D-Modelle dargestellt und auf Patientinnen und Patienten gelegt werden, um die Illusion zu erwecken, man könne durch die Haut des Menschen sehen.
RÄ: Das klingt nach vielen neuen Möglichkeiten und spannenden Entwicklungen. Wie schaffen Sie es, am Ball zu bleiben und den Ärztinnen und Ärzten Lust auf das Thema zu machen?
Langenstein: Innovation ist per se eine Reise ins Ungewisse – aber nur so ist Fortschritt möglich. Die Praxis4future ist genau dazu da, zu zeigen, was Innovation ganz konkret bedeutet. Wir stellen das ganze Spektrum der Möglichkeiten vor und bieten dazu individuelle Beratung zur Nutzung und Umsetzung. Das ist eine tolle Aufgabe, und dass es immer neue Entwicklungen gibt, ist gerade das Interessante. Natürlich kommen Fragen auf, wenn man etwas Neues plant. Diese Fragen beantworte ich gern. Auch das begreife ich als meinen Job: Überzeugungsarbeit zu leisten – und bei meinen Führungen einen kleinen Samen zu pflanzen für den Start in eine zukunftsorientierte Praxis, von der alle profitieren.
Das Interview führte Jana Meyer, Redakteurin der KV Nordrhein
Lust auf Praxis-Digitalisierung?
Termine in der Praxis4future können ganz einfach auf www.praxis4future.de gebucht werden.
Noch Fragen?
Julia Langenstein, Digitalisierungsexpertin der KV Nordrhein, steht für Fragen zur Praxis4future jederzeit auch per E-Mail unter praxis4future(at)kvno.de zur Verfügung.